Perfektionismus

von | 11.03.2024 | Perfektionismus

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Perfektionismus auf den Punkt

  • Perfektionismus treibt uns zu außergewöhnlichen Leistungen an.
  • Trotz seiner positiven Aspekte kann Perfektionismus zu unerreichbaren Ansprüchen und dauernder Selbstkritik führen.
  • Der Balanceakt zwischen Streben nach Perfektion und Akzeptanz des „gut genug“ erscheint Perfektionisten oft unmöglich.
  • Funktionaler Perfektionismus ist flexibel und führt zu positiven Ergebnissen, während dysfunktionaler Perfektionismus zu Stress und Unzufriedenheit führen kann.
  • Ursachen für Perfektionismus können genetische Faktoren, Erziehung, gesellschaftliche Einflüsse und persönliche Erfahrungen sein.

 

Perfektionismus treibt uns zu außergewöhnlichen Leistungen an und steckt oft hinter unserer Professionalität und Zuverlässigkeit. Perfektionismus wird hochgelobt, doch er hat auch eine Kehrseite wie das Scheitern an den selbst definierten, hohen Ansprüchen oder die dauernde Selbstkritik.

Wie finden wir die Balance zwischen unserem Streben nach Perfektion und der Akzeptanz, dass manchmal „gut genug“ ausreicht?
Genau das ist das Hauptproblem von Perfektionisten. Denn dieser Balanceakt erscheint oft als unmöglich.

In diesem Blogbeitrag möchte ich über folgendes aufklären:

  • Was ist Perfektionismus? 
  • Was ist der Unterschied zwischen gesundem und ungesundem Perfektionismus?
  • Welche Ursachen können für Perfektionismus verantwortlich sein?

Definition: Was ist Perfektionismus?

Im allgemeinen Sprachgebrauch wird Perfektionismus häufig in einem positiven Licht gesehen.

Eigentlich bedeutet Perfektionismus das ständige Streben nach Fehlerfreiheit und Höchstleistungen, gekoppelt mit strengen Selbstbewertungen oder Angst vor Kritik. Unrealistisch hohe Ansprüche werden gesetzt und verfolgt, was oft zu Unzufriedenheit und Stress führt.

Die Literatur unterscheidet zwischen funktionalem (gesunden) und dysfunktionalem (ungesunden) Perfektionismus. Diese Differenzierung ist wichtig, da sie dabei hilft, ein gesundes Streben nach Exzellenz von einem schädlichen Streben nach Unfehlbarkeit zu unterscheiden.

Funktionaler Perfektionismus: Gesundes Streben nach Perfektion

Wenn von gesundem oder funktionalem Perfektionismus gesprochen wird, dann ist die Person in ihren Entscheidungen flexibel. Sie setzt sich hohe Ziele und gibt ihr Bestes, diese zu erreichen. Jedoch kann sie akzeptieren, wenn sie das Ziel dann nicht vollständig erreicht. 

Hier ein Beispiel:

Thomas ist freiberuflicher Grafikdesigner, der seine Onlinepräsenz verbessern möchte, um neue Klienten zu gewinnen. Er setzt sich das Ziel, seine Website innerhalb eines Monats vollständig zu überarbeiten.
Obwohl er sich eine tägliche Arbeitszeit von 2 Stunden dafür vorgenommen hat, gibt es Tage, an denen unerwartete Aufträge seine Pläne durchkreuzen. 

Statt sich selbst für diese Abweichungen zu kritisieren, passt Thomas flexibel seine Zeitplanung an, priorisiert dringende Projekte und arbeitet effizient an seiner Website, wenn Zeitfenster verfügbar sind. Am Ende des Monats ist die Website zwar nicht perfekt, aber deutlich verbessert und bereit für Kunden. Er ist stolz auf das, was er erreicht hat.

Weitere positive Eigenschaften von funktionalem Perfektionismus sind Sorgfalt, Genauigkeit, das Erkennen von Fehlern, Ausdauer, Tiefgründigkeit, Lernbereitschaft und Professionalität.

Aber was, wenn Perfektionismus überhandnimmt? Kommen wir zum dysfunktionalen Perfektionismus.

Krankhafter Perfektionismus: Unerreichbare Perfektion

Krankhafter, dysfunktionaler oder ungesunder Perfektionismus ist von Rigorosität und Starrheit geprägt. Es wird alles daran gesetzt, das oft übertrieben hohe Ziel zu erreichen. Andere Verpflichtungen werden dem Ziel untergeordnet. Wenn das Ziel nicht erreicht wird, schämt sich die Person oder sie verfällt in eine negative Gedankenspirale voller Selbstkritik.

Zur Veranschaulichung dasselbe Beispiel von oben:

Thomas hat sein Ziel definiert und beginnt mit der Umsetzung. Aufgaben, die dazwischen kommen, ignoriert er schlichtweg: Obwohl Kundentermine Vorrang haben sollten, werden diese der Webseite untergeordnet. Schließlich muss er sein Ziel um jeden Preis erreichen.

Täglich arbeitet er mehrere Stunden ohne Unterbrechung. Auf Müdigkeit und Überlastung nimmt er keine Rücksicht. Er versteift sich sosehr auf die Zielerreichung, dass er bald in seiner Leistung stagniert.

Seine Gedanken sind: “Das kann nicht sein, ich muss weiterkommen” oder “Anscheinend gebe ich nicht mein Bestes, sonst würde ich zügiger vorankommen”.

Am Ende des Monats hat er eine halbfertige Webseite. Er ist voller Frust und kritisiert sich selbst, da er sein Ziel nicht erreicht hat.

Weitere typische Eigenschaften oder Symptome von krankhaftem Perfektionismus sind 

  • Versagensängste
  • Ängste, Fehler zu machen 
  • übertriebenes Analysieren von Aufgaben
  • ständiges Vergleichen mit anderen Menschen
  • Selbstvorwürfe, wenn Pausen gemacht werden
  • oder mehr Zeit mit der Planung statt Ausführung einer Aufgabe verbringen

Bei den meisten Perfektionisten sind es nur eine Handvoll Eigenschaften, die dann das individuelle Leid auslösen. Diese Bestandteile lassen sich weiter in drei Perfektionismus-Typen kategorisieren.

Die 3 Perfektionismus-Typen: Erkennen, Verstehen, Testen

Die Literatur unterscheidet weiter 3 verschiedene Perfektionismus-Typen, die kurz erläutert werden. Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, mache meinen kostenlosen Perfektionismus-Typen-Test und erhalte das zugehörige PDF-Dokument mit mehr Infos zu Perfektionismus und den drei Typen:

Der selbstgerichtete Perfektionist (ich nenne ihn Überflieger) steckt sich selbst hohe Ansprüche. Er will außergewöhnliches leisten. Er glaubt, dass er ohne diesen Ansporn Motivation und Leistungsfähigkeit verliert. Das Resultat ist, dass er andere, wichtige Lebensbereiche wie die eigene Erholung oder zwischenmenschliche Beziehungen vernachlässigt.

Trophäe gewonnen

Der soziale Perfektionist (People Pleaser) möchte niemanden enttäuschen und verhält sich deshalb perfektionistisch. Er hat Angst in Gegenwart von anderen zu versagen, deshalb steckt er viel Zeit und Mühe darin, andere zufriedenzustellen. Auch hier ist sein Wohlbefinden zweitrangig. Die Bedürfnisse der anderen sind immer wichtiger als die eigenen.

Junge hilft dem anderen sein Fahrrad zu flicken.

Der außengerichtete Perfektionist (Kritiker) setzt sich selbst hohe Ziele, erwartet jedoch gleich hohe Standards von anderen Menschen. Er weiß genau, was er will und erwartet es auch von den anderen. Wenn die Standards nicht erfüllt werden, kann er als besserwisserisch, autoritär oder arrogant empfunden werden.

Zwei Herren diskutieren miteinander am Tisch

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Was sind die Ursachen für Perfektionismus?

Die Ursachen können bei jeder Person mit perfektionistischen Tendenzen unterschiedlich sein:

  • Genetische Faktoren: Wissenschaftliche Untersuchungen legen nahe, dass Perfektionismus vererbbar ist. Quelle

     

  • Erziehung und familiäre Einflüsse: Wenn die Eltern hohe Erwartungen an die Kinder haben oder Fehler nicht tolerieren, entwickeln die Kleinen häufig perfektionistische Tendenzen. Eltern, die bedingungslose Liebe nicht zeigen oder hohe Erwartungen stellen, können diesen Drang verstärken. Quelle

     

  • Gesellschaftliche und kulturelle Einflüsse: Gesellschaftliche Standards und die Betonung von Erfolg und Leistung können Perfektionismus fördern. Social Media fördert das Vergleichen und somit auch die perfektionistischen Züge. Quelle

     

  • Persönliche Erfahrungen und Traumata: Erfahrungen wie Mobbing, emotionale Vernachlässigung oder traumatische Ereignisse in der Kindheit können zu einem Bedürfnis führen, Kontrolle durch Perfektionismus zu suchen. Diese Erfahrungen können das Selbstwertgefühl untergraben und den Wunsch verstärken, Anerkennung durch Perfektion zu erlangen. Quelle
  • Mentale Komponente: Ein „schwarz-weiß“ Denkmuster, bei dem Menschen Ereignisse als absolut gut oder schlecht betrachten, kann Perfektionismus fördern. Diese Art zu denken lässt wenig Raum für Fehler oder Mittelmäßigkeit und erhöht den Druck, stets perfekt zu sein. Quelle

Jeder Mensch hat einen anderen Hintergrund. Die individuellen Ursachen können in Coachings oder psychologischen Sitzungen erarbeitet werden. Solch eine Reise in die eigene Vergangenheit kann schon einiges an Klarheit vermitteln.

Welche Risiken existieren in Bezug auf Perfektionismus?

Das Schwarz-Weiß-Denken, Streben nach Höchstleistung, Perfektion des „immer-mehr-Wollens“ bergen Risiken für verschiedene, ernst zu nehmende Erkrankungen:

  • Perfektionismus kann zu erhöhtem Stress und Burnout führen, da das ständige Streben nach hohen Standards Erschöpfung verursacht.
  • Essstörungen können ebenfalls auf Perfektionismus zurückzuführen sein, und zwar dann, wenn der Wunsch nach einem ‚perfekten‘ Körper zu ungesunden Essgewohnheiten führt. 
  • Durch das Vergleichen mit anderen in den sozialen Medien können sich Perfektionist:innen minderwertig fühlen, was die Selbstkritik verstärkt und schlimmstenfalls zur Depression führen kann.
  • Durch das Bedürfnis der Kontrolle und Fehlerlosigkeit können Routine und Rituale etabliert werden, die zwanghaft ausgeführt werden.

Perfektionismus ist nicht mehr nur einfach eine Eigenschaft von Einzelpersonen, sondern zum Ideal unserer Gesellschaft geworden.

Wie kann ich Perfektionismus überwinden?

Hier findest du 5 Tipps, wie du deinen Perfektionismus angehen kannst:

  1. Lerne, Fehler zu akzeptieren: Fehler sind normal und Teil des Lernprozesses. Sieh sie als Chance, dich zu verbessern, anstatt dich dafür zu verurteilen.
  2. Wie du es schaffst, dir machbare Ziele zu setzen: Setze dir ein Ziel und frage dich, wie es aussehen könnte, wenn du das Ziel zu 80 % erreichst. Das ist dann dein eigentliches Ziel.
  3. Priorisieren: Konzentriere dich auf die wichtigsten Aufgaben und lass unwichtige Dinge los. Die wahre Kunst liegt darin, zu erkennen, welche Aufgabe jetzt wichtig ist.
  4. Führe ein Erfolgstagebuch: Notiere jeden Tag deine Erfolge, klein wie groß. Dies kann dir helfen, deine Fortschritte zu erkennen und dein Selbstvertrauen zu stärken.
  5. Sei mitfühlend mit dir selbst: Behandle dich selbst mit Freundlichkeit und Akzeptanz. Perfektionismus kann zu Selbstkritik und Scham führen. Es ist wichtig, dass du dich selbst respektierst und gut mit dir umgehst.

Falls du Achtsamkeitsübungen noch nicht ausprobiert hast, können dich diese auch unterstützen. In meinem Blogartikel Achtsamkeit findest du die Hintergrunde und wenn du mit den Übungen direkt starten willst, kannst du hier klicken.

Wann muss ich meinen Perfektionismus ablegen?

Ungesunder Perfektionismus lässt sich auf einen einfachen Gedankenfehler herunterbrechen. Perfektionist:innen verwechseln das “MUSS” mit dem “SOLL”. 

  • Ich muss schön aussehen
  • Ich muss performen
  • Ich muss der/die Beste sein
  • Ich muss mich gesund ernähren

Diese “Alles-oder-nichts” Gedanken sollen aufgeweicht werden, man sich erlauben darf, auch mal 80, 70 oder nur 60 % der eigentlichen Leistung zu geben. Wenn dir das gelingt, entfällt automatisch der Druck, die eigenen Standards unbedingt erfüllen zu müssen.

Auch zu lernen, Fehler machen zu dürfen, ist essenziell. Hier dürfen wir Perfektionist:innen einen Blick nach Japan wagen. Die schöne Tradition von “Kintsugi” sieht vor, dass zersprungenes Geschirr nicht weggeworfen, sondern mit Goldpartikeln versetztem Leim, wieder repariert wird.

Was also Fehlerhaftigkeit aufweist, wird genau dadurch aufgewertet. So wird Wertschätzung gelernt.

Kintsugi Schalen die wieder verklebt werden

Wenn du also reflektierst und für dich feststellst, dass du nicht mehr flexibel in deinem Handeln bist, und dich das zunehmend durch Unzufriedenheit oder Überanstrengung belastet, lege ich dir ans Herz, dir Unterstützung zu holen.

Es kann nur besser werden!

Die häufigsten Fragen zu Perfektionismus

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Als Life- und Businesscoach mit Bachelor in Psychologie (B.Sc.) begleite ich Unternehmer, Selbstständige und Veränderungsbereite bei ihrem Transformationsprozess zu einem ausgeglichenerem Leben.

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