Nein sagen lernen

von | Zuletzt aktualisiert am 22.05.2025 | Selbstsabotage

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Nein sagen auf den Punkt

  • Viele Menschen sagen Ja, um sich sicher zu fühlen und Ablehnung zu vermeiden.
  • Hinter dem Ja sagen steht oft ein starker empathischer Persönlichkeitsanteil.
  • Ein innerer Konflikt entsteht, wenn der Wunsch zu helfen mit dem Wunsch nach Abgrenzung kollidiert.
  • Mithilfe der Methode des inneren Teams lassen sich diese Anteile differenziert erkennen und verstehen.
  • Schuldgefühle entstehen, wenn dominante Anteile wie der empathische Anteil zu viel Macht über Entscheidungen haben.
  • Innere Balance entsteht, wenn alle Persönlichkeitsanteile gleichwertig beachtet und integriert werden.

 Einleitung

Wenn du dich im Spiegel betrachtest, siehst du in erster Linie einen hilfsbereiten Menschen. Du bist stolz auf dich, dass du die Bedürfnisse der anderen vor die eigenen stellst. Aber manchmal ist dir das ständige Ja sagen einfach zu viel und du hast grosse Mühe damit, das offen zu kommunizieren.

Lass mich dir einige Einblicke in die Kunst des “Nein sagens” geben. Bestenfalls dient er dazu, dich zu motivieren, endlich für dich selbst einzustehen und zu lernen, ein klares Nein zu formulieren!

Im ersten Teil lernst du, warum du in diesem Verhalten des Ja sagens verharrst. Im zweiten Teil besprechen wir, was du tun kannst, um eine Veränderung in die Wege zu leiten.

Die Angst des Nein sagens

Lassen wir uns gemeinsam betrachten, warum es uns so schwer fällt, Nein zu sagen, wenn jemand eine Bitte an uns stellt oder etwas von uns möchte. Die Gedanken können wie folgt sein:

  • “Wenn ich ihn ablehne, kündigt er mir die Freundschaft.”
  • “Ich fühle mich schuldig, wenn ich Nein sage.”
  • “Wenn ich ablehnend bin, dann mögen mich die Menschen nicht mehr.”
  • “Ich will niemanden enttäuschen.”
  • “Wenn ich sie ablehne, ignoriert sie mich zukünftig.”

So oder so ähnlich werden deine Gedanken sein. Die Basisemotion solcher Befürchtungen ist Angst. Wir haben Angst, dass etwas schlechtes passiert, wenn wir Nein sagen. Diese Angst, Nein zu sagen, ist häufig tiefer verwurzelt als wir denken. Deshalb machen wir es nicht und fühlen uns viel sicherer.

Die psychologische Sicherheit des Ja-Sagers

Du fühlst dich sicherer, wenn du Ja sagst. So machst du es seit langem:

  • “Könntest du mir einen gefallen tun?” – “Ja klar.”
  • “Hast du nächstes Wochenende Zeit mich beim Projekt XY zu unterstützen” – “Natürlich, du kannst auf mich zählen”
  • “Wir gehen mit unseren Freunden in die Berge, kommst du mit?” – “Sicher!”

Auf den ersten Blick: Hilfsbereit, menschenfreundlich, sozial. So wie du gerne gesehen werden möchtest. Das gibt dir Sicherheit, weil dein Selbstbild erhalten wird.

Aber Menschen, die nicht Nein sagen können, spüren oft innerlich eine starke Spannung:

  • “Warum habe ich jetzt schonwieder zugesagt? Ich habe echt keinen Bock zu helfen!”
  • “Jetzt kann ich schon wieder meiner Familie sagen, dass ich keine Zeit für sie habe”
  • “In die Berge? Ich mag es gar nicht, zu wandern!”

 

Zu lernen, wie man bewusst nein oder ja sagt.

Die Basis: Der Konflikt in dir

Du hast also folgende Unstimmigkeit in dir:

  1. Du sagst nicht Nein, weil du Angst vor der Reaktion des Gegenübers hast.
  2. Du sagst Ja, obwohl du Nein sagen möchtest.

Die Psychologie des Nein-Sagens zeigt, dass es dabei nicht nur um Kommunikation geht, sondern um innere Dynamiken.

Um das ganze aufzuschlüsseln, lege ich dir die Arbeit mit dem inneren Team ans Herzen, weil sie in diesem Zusammenhang sehr hilfreich ist.

Die Theorie des inneren Teams gründet auf der Existenz verschiedener Persönlichkeitsanteile in uns, die alle ein Eigenleben haben mit Gedanken, Gefühlen, Körperempfindungen, Wünschen und Aufgaben. Du hast also nicht nur EINE Persönlichkeit wie wir es gelernt haben, sondern MEHRERE Persönlichkeitsanteile, die je nach Situation und deinem Befinden in Erscheinung treten.

Exkurs: Eine kleine Übung, wenn du skeptisch bist:

Stell dir vor, du bist genervt, so richtig genervt.

Was für Gedanken kreisen dann in dir? Welche Emotionen sind im Vordergrund? Welches Verhalten legst du an den Tag? Wie reagierst du auf die Menschen?

Wie du siehst, geht dein Zustand des genervt-seins mit Gedanken, Verhaltensmustern, Emotionen und vielem mehr, einher. Dieses genervt-sein hat ein eigenleben, in dir drin. Es erfüllt einen bestimmten Zweck.

In Anbetracht der besprochenen Umstimmigkeiten gibt es also folgende Teile in dir:

  • Ein Anteil, der Ja sagt, der anderen gefallen möchte, der für die anderen da sein möchte. Er verhält sich den gesellschaftlichen Regeln entsprechend oder ist der perfekte Bürger weil er hilfsbereit, sozial und empathisch ist. Nennen wir ihn “empathischer Anteil
  • Ein anderer Anteil, der für dich einstehen möchte, der Ausgleich sucht, der Aktivität und Ruhe gut balancieren kann. Nennen wir ihn “ausgleichender Anteil

Du hast also zwei verschiedene Stimmen in dir, die in dieser Situation entgegengesetzte Ziele verfolgen.

Was kannst du nun tun?

Die Lösung: Erforsche deine inneren Anteile

Das was du tun kannst ist, die beiden Teile zu erforschen und sie so wieder in Einklang zu bringen. Das ist Arbeit am Unterbewusstsein.

Ergründe, welche Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen du spürst, wenn sie aktiv sind. Erforsche sie einzeln und am Ende erforschst du, wie die beiden zueinander stehen. Offensichtlich besteht ein Konflikt.

In dem du beide besser kennenlernst, verstehst du die Bedürfnisse von ihnen und kannst auf sie eingehen. Die Anteile sind immer aus einem bestimmten Grund aktiv. Wenn du sie ignorierst, ihnen nicht zuhörst, dann kann sich auch nichts verändern. Das ist das was du bisher gemacht hast. Du hast sie ignoriert oder dich abgelenkt, sobald sie da waren. Auch andere Anteile in uns übergehen wir ständig, weil wir es nicht anders gelernt haben.

Das Vorgehen: Indem du ihnen Aufmerksamkeit schenkst und ihnen Sicherheit vermittelst, beruhigen sie sich allmählich und du erhältst Schrittweise wieder die Kontrolle deiner bis dato automatisch ablaufenden Ja-Sagen-Reaktion.

Eine Frau die in den Spiegel schaut ist stolz auf sich, weil sie Ja zu sich selbst sagt.

Der Grund, warum du Schuldgefühle hast (und andere nicht)

Die Schuldgefühle können vom empathischen Anteil in dir kommen oder vielleicht, je nach dem wie du es erlebst, vom inneren Kritiker.

Der Grund des People Pleasings ist, dass der empathische Anteil in dir zu aktiv ist und andere Anteile, wie der ausgleichende Anteil, nicht zum Zug kommen oder sogar verdrängt werden. Weil der empathische Anteil so aktiv ist, sind auch seine Reaktionen wie Gefühle, Gedanken und Körperempfindungen stärker als die der anderen.

Dementsprechend also die Schuldgefühle. Wenn du NICHT machst, was er möchte, was seinem Wesen entspricht, also in diesem Fall, die Bedürfnisse der anderen befriedigen und Ja sagen, dann treten die Schuldgefühle ein um dir mittels Bestrafung zu zeigen, dass du gefälligst das tun solltest, was er von dir verlangt.

Dein empathischer Teil in dir ist um einiges aktiver oder grösser in dir als die anderen Anteile. Wenn du dein Innenleben als Unternehmen betrachtest, hat der empathische Anteil eine Führungsposition. Er steht über anderen Teilen, weil er mehr Macht in dir hat.

Bei anderen Menschen, die eine gute innere Balance haben, gibt es eine lockerere Hierarchie in ihrem Innenleben. Idealerweise stehen alle Anteile auf einer Ebene.

Ein Nein zu anderen ist ein Ja zu dir.

Ein Mann kreuzt seine arme weil er es satt hat, ständig Ja zu sagen.

Endlich für dich einstehen

Wenn du diese Übung zum Nein sagen machst, deine Anteile erforschst und deren Bedürfnisse ergründest, kommen sie immer mehr in dir in Einklang. Nein sagen lernen beginnt nicht im Außen, sondern mit der ehrlichen Auseinandersetzung mit dir selbst. Deine Schuldgefühle werden automatisch abnehmen, weil du dem ausgleichenden Teil mehr Beachtung schenkst und dein empathischer Teil nicht mehr solch eine wuchtige Präsenz in dir hat. So lernst du automatisch immer mehr, selbstbewusst Nein zu sagen.

Werden die Schuldgefühle von heute auf morgen verschwinden? Nein! Aber sie werden schrittweise immer weiter abnehmen weil du lernst, für dich einzustehen. Das gibt dir Selbstsicherheit.

Das Nein-sagen ist ein Balanceakt

Zu lernen, Nein zu sagen ist eine Kunst, ein Balanceakt zwischen deinen Anteilen die alle andere Ansichten haben, wie du zu leben hast. Indem du deine inneren Anteile erforschst und ihre Bedürfnisse anerkennst, bringst du mehr Balance in dein Innenleben.

So wirst du selbstsicherer und kannst authentisch für dich einstehen, ohne dich ständig für deine Entscheidungen rechtfertigen zu müssen. Die Reise beginnt mit dem ersten ehrlichen Nein – und führt dich zu mehr Selbstrespekt und innerem Frieden. Trau dich, deinen eigenen Weg zu gehen und deine Grenzen zu wahren!

Nein zu sagen ist ein Balanceakt weil man teilweise ja sagen möchte.

Wertschätzend Nein sagen

Als Abschluss möchte ich dir noch einige Satzformulierungen geben, die dich dabei unterstützen sollen, mehr für dich einzustehen.

Ein Tipp von mir: Familie, Freunde und Bekannte, die bisher und regelmässig deine Unterstützung in Anspruch genommen haben, würde ich an deiner Stelle über deine Verhaltensänderung informieren, sobald sie wieder auf dich zukommen und etwas von dir möchten.

So fällt es dir leichter, für dich und deine Bedürfnisse einzustehen. Du könntest deine Antwort auf eine Bitte von Aussen mit folgendem Satz einleiten:

  • “Ich übe gerade, besser auf meine eigenen Bedürfnisse zu hören, weil ich meine persönlichen Grenzen in der Vergangenheit immer wieder überschritten habe.”

Dann kannst du anfügen: “aus diesem Grund …” und den Satz passend vervollständigen:

  • “… merke ich, dass ich das nur dir zuliebe machen würde – und das fühlt sich für mich nicht stimmig an.”
  • “… verstehe ich, dass dir das wichtig ist – und gleichzeitig passt es für mich gerade nicht.”
  • “… höre ich in mir zwei Stimmen. Die eine sagt, dass ich dir helfen soll und die zweite meint, dass ich gerade ziemlich müde bin und mich besser ausruhen soll.”
  • “… spüre ich, dass ich ausgelaugt bin. Ich würde den Abend lieber vor dem TV verbringen.”
  • “… sage ich Nein. Ich weiss, dass es ungewohnt ist weil ich immer anders reagiert habe, aber es fühlt sich für mich stimmig an.”

Wenn du fortgeschritten bist und das einige Male geübt hast, brauchst du dich nicht mehr zu erklären. Denn Erklärung ist Rechtfertigung und vermittelt das Gefühl von Sicherheit. Das wird nicht mehr gebraucht, sobald du im Einklang bist mit deinem authentischen Selbst.

Die Menschen in deinem Umfeld bemerken deine Veränderung und werden auch nicht mehr nachfragen und es akzeptieren. Es kann sein, dass du auf Unverständnis stösst, aber das hat nichts mit dir zu tun. Denn das Wissen zum Thema Nein sagen und die persönlichen Grenzen übertreten ist in der Gesellschaft noch nicht weit verbreitet.

Brauchst du Unterstützung?

Wenn dir das Thema leid ist und du endlich nach Veränderung strebst, dann kontaktiere mich gerne für ein unverbindliches Erstgespräch. Zusammen können wir deine Persönlichkeitsanteile erforschen und bringen sie wieder in Einklang!

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Als Wegbegleiter und Lifecoach mit Bachelor in Psychologie (B.Sc.) unterstütze ich warmherzige People Pleaser und sich selbst sabotierenden Menschen bei ihrem Aufbau eines rundum authentischeren Lebens.

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